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  Presseberichte
  Buersche Zeitung, 16.04.1988

Der Pariser Organist Philippe Lefèbvre im Hans-Sachs-Haus

Meister der Improvisationskunst

Freunde der Orgelmusik erlebten überragenden Virtuosen an der Walcker-Orgel

GELSENKIRCHEN. Wer Orgelmusik in der Liturgie der Kathedrale Notre-Dame in Paris erleben durfte, weiß die Qualität und die Anforderungen, die mit dem Amt des Organisten dort verbunden sind, hoch zu schätzen. Das Instrument und der gotische Raum bilden eine Herausforderung an jeden Virtuosen für dieses königliche Instrument. Dem zur Zeit dort tätigen Philippe Lefebvre, wenn auch in anderer Umgebung, zuhören zu dürfen, ist etwas Besonderes. Gelegenheit dazu gab es im Hans-Sachs-Haus, wo Lefebvre an der Walcker-Orgel sein herausragendes Können mit den spezifischen klanglichen Mitteln einer Saalorgel vorstellte.

Er bevorzugte ein eher populäres Programm. Mit dem "Ohrwurm" der Passacaglia und Fuge c-Moll von Johann Sebastian Bach begann er. Hier legte er Wert auf eine stets gegenwärtige und klar abgegrenzte Fundierung des berühmten Themas. Darauf baute er den improvisatorisch angelegten Überbau.
Mit Felix Mendelssohn-Barthol-dys Sonate III A-Dur, vollmundig und zartfühlend nachgezeichnet, und Cesar Francks "Cantabile" und "Piece heroique" knüpfte er eine sehr direkte Verbindung, die in das Zentrum der französischen Orgelromantik führte. Unverwechselbar schön und wörtlich genau setzte der Organist dieses Programm um.
Improvisationen sind des Orgelvirtuosen liebstes Kind. Vorbilder damals (Bach, Bruckner) wie heute (Wettbewerbe) gibt es genug. Am Pult der Gelsenkirchener Walcker-Orgel wirkten schon viele Könner. Ein weiterer Name gesellte sich dazu.
Konrad Schroer brachte aus einer Konferenz der Musikschule Gladbeck ein herb-liedhaftes Thema mit. Karlheinz Obernier überreichte den Notentext und Lefebvre startete den Höhepunkt des Konzerts. Er schnitt Motivteile heraus, entwarf Kontraste, verfremdete, steigerte, verschob die Ausdrucksebenen, schüttelte, siebte und unternahm mit dem Thema und seinen Elementen einen Streifzug durch die Disposition. Selbst die Rarität der Celesta (Stahlplattenklavier) durfte nicht fehlen. Er harmonisierte seiner Herkunft gemäß französisch, nutzte die Freiheit der Dissonanz und münzte sie wohlklingend um in den harmonisch erweiterten Kosmos unserer Zeit.
Michael Beste

   

 

 

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