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Der Spieltisch
 

Ein Prospekt ist das 'Schaugesicht' für Größe und Wert einer Orgel. Er ist der sichtbare Teil des Orgelgehäuses und besteht in der Regel aus den großen, hochpolierten zinnenen, manchmal auch völlig funktionslosen Orgelpfeifen in einem wohlgeformten Rahmen und zeigt in Kirchen und Konzertsälen die Anwesenheit einer Orgel an.
Anders im Hans-Sachs-Haus. Die großen Pfeifen eines Prospekts sollten die Blicke der Besucher nicht vom Wesentlichen ablenken,  nämlich vom Klang der Orgel - der quasi aus dem Nichts kam, da die Register der Hauptorgel hinter Holzjalousien verborgen waren - und von der Arbeit des Organisten, der die Orgel zum Klingen brachte.

Wie beim gesamten Haus wurde auch bei der Konzeption des Konzertsaals und der Orgel konsequent die Funktion in den Vordergrund gestellt. Sie bestimmte die Optik.

 

Der frei auf der Bühne bewegliche Spieltisch mit elektrischer Übertragung der Tastenimpulse zu den Windladen und Registern bot die Möglichkeit, den Organisten - wie bei anderen Konzerten z. B. einen Pianisten -  auf der Bühne zu platzieren und nicht hinter dem Publikum, wie es in den meisten Kirchen üblich ist, oder bestenfalls am Bühnenrand, je nachdem, wo der Spieltisch im Saal eingebaut war.

Manuale und Pedale des Spieltisches vom 1927. Bild: Orgelmuseum Borgentreich.

Der Spieltisch von 1927

Der Spieltisch von 1927.

Der Spieltisch von 1927

Auch die Ausgestaltung des Spieltisches folgte dieser Idee.  Mit hoch poliertem schwarzem Schellack glänzte er wie ein Flügel. Auf Schnörkel und Verzierung wurde verzichtet. Auch die Bedienungselemente waren klar und übersichtlich angeordnet und und ihrer Funktion entsprechend gegliedert. 

"Die auf der Bühne zu allen Zwecken frei bewegliche fahrbare Spielanlage war rein elektrisch ausgelegt. Der Strom für die elektrische Traktur wurde von einer kleinen Schwachstrommaschine erzeugt, eine zweite Reservemaschine diente ersatzweise als Sicherung. Alle Koppeln wurden sowohl als Pistons und in Wechselwirkung mit jenen zugleich als Druckknöpfe zwischen den Manualen gebaut. Ebenso erhielt der Spieltisch eine Walze für das Registercrescendo /-decrescendo. Rechts davon waren die Schwelltritte als Balanciers angeordnet.

Der Spieltisch von 1927 im Orgelmuseum Borgentreich.

Der Spieltisch von 1927 im Orgelmuseum Borgentreich

Der Spieltisch von 1982.

Der Spieltisch von 1982

Erwähnenswert erscheint für damalige Verhältnisse auch die "automatische Pedalumschaltung", infolge derer sich die Klangfarbe des Pedals selbsttätig in eine zuvor frei programmierbare und einem bestimmten Nebenmanual angepasste Registerkombination wandelt, sobald der Spieler nur eine einzige Taste dieses Manuals berührt; dazu kamen die üblichen Abstoßer (als Druckknöpfe) zur sofortigen Auflösung programmierter Kombinationen infolge einfacher Betätigung. Zum ersten Mal wirkten - aus Gründen optimierter Übersichtlichkeit - in einer deutschen Konzertorgel alle Spielhilfen "positiv" nach dem "System Jung", d. h. konsequent positiv nur in eine Richtung." (Wolfram Adoph: "Die Wunderorgel" im Hans-Sachs-Haus zu Gelsenkirchen, In: Organ, Journal für die Orgel. H.1, 2001, S. 27.)

1982, bei der ersten großen Renovierung der Orgel, wurde der alte Spieltisch durch einen neuen elektrischen Spieltisch mit Setzeranlage und modernen Spielhilfen ersetzt. Nun konnten vorher programmierte Kopplungen von Registern per Knopfdruck während des Konzertes abgerufen werden.

Der alte Spieltisch steht seitdem im Orgelmuseum in Borgentreich.

Bei der derzeitigen Restaurierung der Orgel soll ein Spieltisch geschaffen werden, der dem ersten äußerlich gleicht.

Der Spieltisch von 1982.

Der Spieltisch von 1982

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