1. Ausgangslage
Die Walcker-Konzertorgel aus dem Hans-Sachs-Haus ist die größte Saalorgel in
Deutschland. Sie zählt zu den Orgeln, die gerade wegen ihres herausragenden Klanges,
ihrer Variabilität als Solo-, als Ensemble- und Begleitinstrument (z. B. bei
Oratorien), sowie einiger Register mit außergewöhnlichen Besonderheiten (Mensuren nach
Michael Praetorius (1561 – 1621) und der Orgelbaudynastie Silbermann (16. und 17.
Jh.)) hohes internationales Ansehen genießt.
An dieser Orgel lässt sich ohne Einschränkung die gesamte Orgelliteratur vom Barock
bis zur Gegenwart authentisch interpretieren.
Die Orgel verfügt über 100 Register (Definition Register: eine Pfeifenreihe vom
tiefsten bis zum höchsten Ton mit einem bestimmten individuellen
Klangcharakter) mit ca. 7500 Pfeifen.
Die Register sind auf sechs Werke verteilt:
- das Pedalwerk
- das Hauptwerk (Manual I)
- die schwellbaren, dh. Lautstärke mittels eines Schwellers regulierbaren Werke
(Manuale II, III, IV)
- das Fernwerk
Hinzu kommt der hölzerne Schallkanal, der in die Mitte des Saales reicht und in
einer trichterförmigen Öffnung endet.
Aufgrund dieser großdimensionierten klanggebenden Konstruktionsteile, zu denen auch
die umfänglichen Pfeifenladen, Windanlagen und drei Motoren gezählt werden müssen,
ergibt sich eine reine Stellfläche von 127 Quadratmetern, zu verteilen auf mehrere
Positionen im Raum (s.u.)
Die Orgel muss wenigstens ein Mal in der Woche in allen ihren Funktionen betätigt
werden, um die Spielfähigkeit jederzeit zu garantieren. Dazu sind mehrere Stunden
anzusetzen.
Die Orgel ist in den letzten Jahren von der Traditionsfirma „Orgelbau Romanus
Seifert & Sohn GmbH & Co.“ (Kevelaer) nach den alten Plänen fachmännisch restauriert
und mit einem neuen Spieltisch ausgestattet worden, der von seiner technischen
Ausstattung her auf dem aktuellsten Stand der Orgelbautechnik ist.
2. Architektonische Voraussetzungen
Die Aufstellung der Orgel muss zur Erreichung der Klangqualität in symbiotische
Aufeinanderbezogenheit von Saal und Orgel erfolgen. Die hufeisenförmige Aufstellung
der Orgel an der Stirnseite des Saales und die Klangzuleitung des Fernwerkes in den
Saal zu Beginn seines letzten Drittels ergibt eine Quadrophonie. Diese beabsichtigte
Wirkung wird durch die besondere Aufstellung der Orgelwerke in der Fläche erzielt.
Das Klangraum-Volumen des Saales sollte sich (dem alten Saal entsprechend) um 8.200
Kubikmeter bewegen.
Die Klanggestaltung ist nicht nur vom Instrument und seiner besonderen
Aufstellungsart abhängig, sondern beruht zudem auf der besonderen Abstimmung von
Klangquelle (Orgel) und Klangziel (Saal), Der Saal muss also auch hinsichtlich der
dort verwendeten Materialien (z. B. Holzwände) besondere akustische Anforderungen
erfüllen. Insbesondere zu vermeiden sind glatte (Glas)-Wände, die zu langen
Nachhall-Zeiten führen.
Tatsächlich müsste der Saal architektonisch kompromisslos auf die akustischen
Zielvorgaben und Potentiale der Walcker-Orgel zugeschnitten werden, will man dieses
Instrument denkmalgerecht aufstellen und zweckentsprechend nutzen.
3. Veranstaltungsstrukturelle Voraussetzungen
Der Einbau einer so bedeutenden Orgel in einen Saal verlangt neben der Erfüllung
der akustischen Vorgaben auch ein angemessenes Konzertprogramm.
Das heißt, dass
- sowohl der Saal die veranstaltungstechnischen Voraussetzungen und das Ambiente für
einen konzentrierten Konzertgenuss in angemessener Atmosphäre bieten muss,
- als auch die finanziellen Voraussetzungen für ein regelmäßiges, selten
kostendeckend anzubietendes, Konzertprogramm vorhanden sein müssen.
Hinzu kommt die Verfügbarkeit, die Orgel (s.o.) mindestens ein Mal pro Woche
„durchzuspielen“.
4. Einschätzung
- Wenn die oben begründeten architektonischen und veranstaltungsstrukturellen
Voraussetzungen im „Neuen Hans-Sachs-Haus“ nicht gegeben sind, ist aus fachlicher
Sicht von einem Einbau der Orgel unbedingt abzuraten.
- Eine Überprüfung weiterer größerer Säle in Gelsenkirchen (Volkshaus Rotthausen,
Heilig Kreuz Kirche, u.a.) hat ergeben, dass nicht nur die architektonischen, sondern
v.a. auch die veranstaltungsstrukturellen Vorgaben hier nicht erfüllt werden können.
- Will man der besonderen Bedeutung dieses großen Instrumentes gerecht werden, wird
man, wenn die Voraussetzungen innerhalb Gelsenkirchens nicht erfüllt werden können,
außerhalb Gelsenkirchens nach einem angemessenen Standort suchen müssen.
21. Mai 2007
K.-H. Obernier, Kustos der Walcker-Orgel aus dem Hans-Sachs-Haus
Dr. V. Bandelow, Leiter Referat Kultur
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