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  Presseberichte
  Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung, 30.08.1940 (Nr.238)

Die Hans-Sachs-Haus-Orgel wird gereinigt

Erste Generalüberholung nach dreizehn Jahren / Staub und nochmals Staub, sonst aber gut erhalten

Warum keine Orgelmusik:
dn. Im Hans-Sachs-Haus wird zur Zeit eine interessante Arbeit ausgeführt: Die große Orgel wird gereinigt. Solche ein Orgelwerk ist ein komplizierter Mechanismus, der ständiger Wartung bedarf, sollen nicht in entscheidenden Augenblicken peinliche Situationen entstehen. Wir haben sie in den ersten Jahren nach Fertigstellung des Orgelbaues im Konzert erlebt; solche kleinen Störungen die bei den vielen hundert Kontakten) im Zuge der elektrischen Traktur des Werkes ja einmal vorkommen können, sind jeweils sofort behoben, sie haben im ganzen gesehen, den Zustand des kostbaren Instrumentes nicht beeinträchtigt. Nun aber, nachdem die Orgel dreizehn Jahre steht, ist zum ersten Male eine gründliche Ueberholung erforderlich geworden.

Bekanntlich wurde die Orgel im Jahre 1927 erbaut; sie ist als Opus 2150 aus der Werkstatt der bekannten Orgelbauanstalt E. F. Walcker & Co., in Ludwigsburg hervorgegangen. Die Disposition der Orgel sieht 91 Register vor, die sich auf vier Manuale und ein Pedalverteilen, dazu tritt noch das Fernwerk. Unter den dreizehn Registern des vierten Manuals befindet sich aus eine Celesta, ein Stahlplattenklavier. In elf Registern der Orgel hat man alte Stimmen wieder belebt; diese Register wurden zum Teil nach den Angaben des um 1600 lebenden Musik- und Orgelgelehrten Prätorius, zum Teil nach den entsprechenden alten Registern der Johanniskirche zu Lüneburg gebaut. Zur besseren dynamischen Beweglichkeit des Klanges sind die Register des zweiten, dritten und viertel Manuals und des Fernwerks in Schwellkästen mit beweglichen Jalousien eingebaut, die Stimmen des Hauptmanuals sowie des Pedals stehen dagegen frei. Zur Winderzeugung dienen drei elektrische Gebläse, von denen zwei auf die Hauptorgel, das drittes (sic!) auf das Fernwerk wirken; der Strom für die elektrische Traktur wird durch eine kleine Schwachstrommaschine erzeugt, der eine zweite als Reserve beigegeben ist.

Wie jeder Konzertbesucher schon bemerkt hat, erfolgt der Abschluß des Orgelraumes gegen den Saal anstelle der sonst vielfach üblichen Prospektpfeifen durch feststehende horizontale Jalousien. Nun ist aber klar, dass in einem so großen Raum, der von so vielen Menschen besucht wird, viel Staub aufgewirbelt wird, besonders wenn durch Varietè- und Tanzvorführungen auf dem Podium unmittelbar unter dem Orgelraum die Luft stark bewegt wird. Der Staub aber setzt sich im Orgelwerk ab, er dringt auch in die oben offenen Pfeifen ein und beeinträchtigt den Ton.

Seit einigen Tagen ist nun Orgelbaumeister Ludwig Rat aus Dortmund im Auftrage der Firma Walker dabei, das ganze Werk von Grund auf zu überholen. Manual auf Manual wird vorgenommen, die vielgestaltigen kleinen und großen Pfeifen - die kleinste ist gerade einen Zentimeter groß, die größte mehrere Meter, so dass sie liegend und gekröpft untergebracht werden mußte - werden aus den Windladen genommen und dann tritt zunächst einmal der Staubsaugergründlich in Tätigkeit. Wir haben uns durch eigenen Augenschein davon überzeugen können, wie dick der Staub da oben liegt. Gleichzeitig damit wird die Stimmung jeder einzelnen Pfeife auf ihre Reinheit überprüft. Bei den vielen hundert Pfeifen, die das Werk birgt, ist das eine Arbeit, die auf rund sieben Wochenberechnet ist. Wie uns Orgelbaumeister Rat auf unsere Frage bestätigte, ist das Werk, abgesehen von der Verstaubung, noch in tadellosem Zustand. Sind die Arbeiten demnächst beendet, dann steht die Orgel rechtzeitig zum Beginn der Konzertzeit wieder zur Verfügung.

Ja aber, so hören wir nun schon die Einwände derjenigen Musikfreunde unter unseren Lesern, die unsere Mitteilung über das Programm der städtischen Konzerte in der Nummer der GAZ. vom 21. August aufmerksam studiert haben, für den ganzen Winter ist ja nicht ein einziges Orgelwerk vorgesehen.

Richtig! Das ist entschieden ein Schönheitsfehler des sonst so schönen Programms und deshalb haben wir oben die Vorzüge unserer großen Orgel noch einmal kurz in Erinnerung gerufen um darzutun, daß ein solches Werk des damals über hunderttausend Mark gekostet hat, viel zu schade dafür ist, unbenutzt dazustehen. Wir möchten deshalb anregen, zu prüfen, ob es nicht möglich ist, da ja das Programm für die acht Hauptkonzerte schon feststeht und die Solisten verpflichtet sind, ein Orgelkonzert noch einzuschieben. Vielleicht wäre es auch möglich, kurze, aber gehaltvolle Morgen feiern mit Orgelmusik an mehreren Sonntagen des Winters zu veranstalten, zu denen die namhaftesten Orgelkünstler unserer Stadt herangezogen werden könnten. Wir sind sicher, daß solche Morgenfeiern bei entsprechender Ausgestaltung von den Musikfreunden unserer Stadt begrüßt werden und ihr Publikum finden würden.

   
   

 

 

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