Walcker-Orgel im Hans-Sachs-Haus
endlich teilüberholt
Kostbares Instrument
erstrahlt jetzt wieder mit reinem Klang
Neuer Spieltisch für 100 000 DM
eingebaut / Organisten-Boykott drohte
GELSENKIRCHEN. (al) Sie gilt als Schmuckstück -
und das auch längst beim breiten Publikum. Doch musizieren wollte
an der kostbaren Walcker-Orgel im Hans-Sachs-Haus, einer der größten
in Europa, zuletzt kaum noch ein Organist. Wiederholt drohten
Konzerte zu platzen, weil die 1927 erbaute, doch mittlerweile
altersanfällig gewordene Königin der Instrumente nicht mehr recht
mitspielte. Angesichts arger "Patzer" durch den Verschleiß am
Spieltisch entschloß sich die Stadt nun endlich, für 100000 DM
einen neuen Spieltisch einzubauen und den alten an das Orgelbaumuseum
in Borgentreich bei Münster abzutreten. Eine Entscheidung, die
ihr umso leichter fiel, als die Preise davonzulaufen drohten,
sich die Hoffnung auf Landeszuschüsse für das als denkmalwürdig
eingestufte Instrument jedoch endgültig zerschlagen hat.
Vom Erfolg der teuren Operation überzeugen kann sich das Publikum
im nächsten Orgelkonzert am 4. März um 20 Uhr. Der Frankfurter
Organist Prof. Edgar Krapp testet das bereinigte Klangbild mit
einem mehrere Jahrhunderte umfassenden Programm mit Werken von
Bach, Mendelssohn-Bartholdy, Genzmer und Liszt. Wie es der Zufall
will, bestritt der Vorgänger auf Krapps Lehrstuhl an der Frankfurter
Musikhochschule, Prof. Helmut Walcha, 1927 das Eröffnungskonzert
an dieser vielgerühmten Orgel.
Ein elektrisch betriebener
getrennter Spieltisch, wie ihn die renommierte Orgelbaufirma Walcker
hier zum erstenmal einbaute, galt damals als technische Sensation.
Die Gelsenkirchener Walcker-Orgel war damals die dritte im Revier.
Heute ist sie die einzige, nachdem die erste Walcker-Orgel in
der Dortmunder Reinoldi-Kirche zerbombt, und eine weitere im Essener
Saalbau auf Geheiß kurzsichtiger Stadtväter demontiert wurde.
Daß Gelsenkirchen
heute ein solches Instrument besitzt, ist jenem Hausmeister zu
verdanken, auf dessen Anregung hin es zwei Tage vor dem Abwurf
einer Luftmine auf das Hans-Sachs-Haus ausgebaut wurde.
Seit er vor wenigen
Jahren sein Nebenamt als Kustos antrat, hat Karl-Heinz Obernier,
der Leiter der Städtischen Musikschule, nicht locker gelassen
in seinem zähen Bemühen, dieses Prachtstück im Millionenwert angemessen
herzurichten. Zunächst wurde das im Klang romantische, in der
Vereinigung mehrerer Orgelwerke mit unterschiedlichem Klangcharakter
jedoch an die Barock-Tradition anknüpfende Instrument für 10.000
DM wieder spielbar macht. Hätte die Stadt sich schon damals zur
Generalüberholung entschlossen, hätten für 400.000 DM auch die
teilweise stark oxydierten 5700 Pfeifen und die Laden des Instrumentes
erneuert werden können. Heute kostet dies ein Vermögen.
Technisches Novum
nach der vier Monate lang vorbereiteten, noch nicht abgeschlossenen
14tägigen Montage des neuen Spieltisches durch Spezialisten der
Orgelbaufirma Walcker ist übrigens eine sogenannte elektronische
Setzeranlage, die es erlaubt, alle 90 Register der Orgel schon
Stunden vorher zu programmieren und sie während des Konzertes
per Knopfdruck abzurufen.
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