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  Presseberichte
  Gelsenkirchener Blätter, 10:7 (1957) 1.-15.April

J. S. Bach: „Matthäus-Passion"

Aufführung am Sonntag, 7. April, durch den Musikverein Gelsenkirchen

Am ersten Sonntag im April wird im Saal des Hans-Sachs-Hauses Johann Seb. Bachs große Passionsmusik nach dem Evangelisten Matthäus, die „Matthäus-Passion" aufgeführt. Drei Merkmale unter manchen anderen Vorzügen kennzeichnet diese Aufführung als ein musikalisches und künstlerisches Ereignis — die Wahl der ungekürzten Fassung, die Verwendung von zwei Orgeln und die Verpflichtung herausragender solistischer Kräfte. Die Passion erklingt in Gelsenkirchen erstmals ungekürzt. Die beiden Orgeln sind in Bachs Originalfassung vorgesehen.

Unter den Vokalsolisten gehören die Sängerinnen Gerda L a m e r s (Berlin) und Lore Fischer (München), zu den ersten Kräften ihres Fachs. Bei den Sängern werden die Gelsenkirchener besonders Helmut Krebs (Berlin) begrüßen, der in der Nachkriegszeit hier tätig war. Auch Erich Wenk (Hamburg) und Bruno Müller (Stuttgart) sind hier nicht unbekannt. Die große Orgel spielt Prof. Hermann Schroeder (Köln); für das zweite Instrument, ein Positiv, wurde Karl-Heinz Grapentin (Kantor und Organist der Altstadtkirche) verpflichtet. Am Cembalo: Franz Röttger (Propstei-Organist). Den Orchesterpart betreuen die Konzertmeister und Solobläser mit dem Städtischen Orchester Gelsenkirchen. Es singen die beiden Chore des Städtischen Musikvereins und der Knabenchor des Schalker Gymnasiums. Dirigent ist Eugen Klein.

Die „Matthäus-Passion" gehört zu jenen Kunstwerken, die alle Bekenntnisse in der künstlerischen Offenbarung des christlicher Leidensopfers zu sammeln vermag und deren Inhalt in den verschiedenen Zeiten immer wieder neu begriffen worden ist.

Die verschiedenen Aufführungsformen der Jetztzeit sind nicht immer ohne Problematik. Allerdings gibt es auch keine unabänderliche Form. Es darf nicht vergessen werden, daß die Passion erst nach ihrer Verpflanzung in den Konzertsaal ihre Sonderstellung errungen hat. Nach Bachs Tod war die Passion bald vergessen. Mendelssohn führte sie hundert Jahre nach ihrem ersten Erklingen in Leipzig wieder auf. Dennoch bliebe eine Aufführung im sakralen Raum, erstrebenswert. Die volle Gegenwartsbedeutunq des Werkes beruht jedoch ganz wesentlich auf der ins Universale erhobenen Konzertform der Romantik. Gegenüber der älteren Johannes-Passion, die mehr das Dramatische in den Vordergrund stellt, betont die Matthäus-Passion das Epische. Das Fortschreiten der Handlung liegt mehr im Rezitativ als im Chor. In den Arien kommt das lyrische und betrachtende Element zum Ausdruck; sie sind von einer einzigartigen Tiefe und Innigkeit des religiösen Empfindens erfüllt. Die Aufführung beginnt am Spätnachmittag. Wegen der Länge des Werkes ist eine Pause von 45 Minuten vorgesehen.

 

 

 

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