Prof. Edgar
Krapp fesselte auf der Walcker-Orgel die Zuhörer
Ein Meilenstein in der
Geschichte der Orgelkonzerte im Hans-Sachs-Haus
Gelsenkirchen. Der
eher bescheidene Prospekt der in den vergangenen Wochen
vielbesprochenen und -gelobten Walcker-Orgel des
Hans-Sachs-Hauses blickte auf ein Auditorium, das man unter
dem Strich als erfreulich zahlreich und mehr noch seinem
Anspruch nach als hochstehend einstufen durfte.
Der
Walcha-Nachfolger Prof. Edgar Krapp (München) präsentierte ein
(auch vom WDR aufgezeichnetes) Programm, das dem Instrument
auf die Register geschrieben war. Die romantische Literatur
überwog also, was jedoch kaum einen Organisten bewegen kann,
auch "seinen" Bach ins Programm zu setzen. Diese Pflichtübung
war aber keine, denn Bachs "Präludium und Fuge in Es-Dur"
erwies sich als eine bemerkenswerte Deutung. Da fiel zunächst
das hohe Tempo auf, eine Sache, die sich als problematisch
erweisen kann, wählt man sie in der falschen Umgebung. Für die
Akustik des Saales erwies sich diese agogische Eigenwilligkeit
als ein guter Griff, da die verwischende Verhallung der
meisten sakralen Räume hier wegfiel. Als Ergebnis hörte man
einen Bach selten vernommenen Glanzes und technischen Niveaus.
Folgerichtig entwickelten sich durch die technische Präzision
Brillanz und effektvolles Spiel, das jedoch nicht auf Kosten
der Plastizität barocker Figuration.
In dieses packende
Tonfest strömten die verzaubernden Melismen César Francks
"Prelude, Fugue et Variation". Auffallend das Rubato im
rhythmischen Bereich, welches die Seele dieser Musik mit jeder
Schwingung vor dem Publikum ausbreitete.
Die konzertante
Spannungskurve brach nicht ab: Franz Liszts stürmische
Huldigung auf den Nestor der Orgelgeschichte "B-A-C-H,
Präludium und Fuge" koppelte das eingangs gehörte Werk mit der
romantischen Orgelwelt. Hier wie auch in allen anderen
Tonbeispielen zeigte sich sehr deutlich, wie kunstvoll Prof.
Krapp die Veranlagung des Instrumentes in sein persönliches
Interpretationsprofil einbettete. Nie am Werk und an der Orgel
vorbeimusizierend, vermochte er es, die begeisterten Hörer
durchgehend zu fesseln. Dieses Konzert eröffnete dem
Orgelfreund in hochverdichteter Form die Möglichkeiten
musikalischer Orgelkunst allgemein und des Walcker-Instruments
im besonderen.
Nach der Pause
verspürte man verinnerlichte Regungen mit Felix
Mendelssohn-Bartholdys "Sonate Nr. 6 in d-Moll". Ohne Schärfe,
fast ehrfürchtig registrierte der Organist. Mit Max Regers
hochromantischer "Sonate Nr. 2 in d-Moll" beschloß Krapp in
großartiger Manier ein Konzert, das man als Meilenstein
einordnen darf.
Dazu eine kleine
Rückschau zu einem solchen Meßpunkt in der Geschichte dieser
Orgel: Krapp-Vorgänger Prof. Walcha eröffnete nach dem Kriege
vor überfülltem Saal auf der nach der Auslagerung wieder
eingebauten Orgel mit einem reinen Bach-Programm (!) das
Orgelleben des Hans-Sachs-Hauses. Nicht auszudenken, welchen
Schaden die Musikkultur Gelsenkirchens und die des Umlandes
erlitten hätte, wäre ein solches Ereignis durch das Vorhaben,
sich von diesem Instrument zu trennen, end-gültig Geschichte
geworden. Dieses Konzert bewies nachdrücklich die Richtigkeit
des Einsatzes und die folgende Entscheidung für die
Walcker-Orgel. Krapps dankende Geste zur Orgel hin wischte
alle bösen Gedanken fort. Ovationen für ihn! Eine Zugabe
(Bachs "Nun komm, der Heiden Heiland") schloß den Kreis.
Michael Beste |