2. Orgelmatinee fand vor
beinahe leeren Bänken statt
Hörerlebnis für
eine Minderheit
Die hervorragenden Gäste
hatten so schlechten Zuspruch nicht verdient
GELSENKIRCHEN. Es waren nur
wenige, allzu wenige, die den Weg ins Hans-Sachs-Haus gefunden
hatten. Die zweite Orgelmatinee fand sozusagen vor leeren
Bänken statt. Dabei war das Konzert über jedes Lob erhaben.
Das Männerquartett „Harmonie" Eschweiler-Nothberg, die
Sopranistin Elisabeth Zoll (Aachen), der Organist Norbert
Richtsteig (Aachen), Schlagzeugvirtuose Hermann Gschwendtner
(München) und der Dirigent Hans-Josef Roth setzten sich im
Geiste verantwortungsbewußten künstlerischen Nachvollzugs für
moderne Chor- und Kantatenwerke von Francois Poulenc und
Harald Genzmer ein und ernteten für ihre Darbietungen bei den
wenigen Zuhörern Beifall über Beifall.
Für die erkrankte
Sopranistin Hildegard Becker (Trier) war kurzfristig Elisabeth
Zoll eingesprungen, die ihre Rolle mit Bravour und
ausgesprochen sängerischem Instinkt bis zum guten Ende
durchstand. Das Vibraphon-Solo des Schlagzeug-Professors
Gschwendtner brachte weltlichen Klangzauber in ein sakrales
Umfeld.
Mit dem Händchen
des geborenen Chordirigenten führte Hans-Josef Roth seine
Sänger von der Eschweiler Harmonie durch die mystische Welt
frommer Marienverehrung eines Franz von Assisi in der
Vertonung von Poulenc. Die vier französisch gesungenen
Fürbitten fanden, im schönsten Parlando-Stil hingehaucht oder
im machtvollen Choreinsatz vorgetragen, zu hinreißender
Ausformung. Was die 35 Sänger aus Eschweiler an chorischen
Nuancen, an sprachlicher und gesanglicher Disziplin und
hochentwickelter Darstellungskunst in ihre
Poulenc-Interpretation einbrachten, wurde zu einem
beglückenden Hörerlebnis für die Zuhörer.
Die monumental
angelegte „Geistliche Kantate" in der gemäßigt modernen,
musikalisch fesselnden Sprache von Harald Genzmer (1979), die
nach dem Vorbild alter kirchlicher Psalmen über die Allmacht
der Natur und die Sehnsucht des Menschen nach Erlösung
inbrünstige Meditationen anstellt, erklang in dieser Matinee
in schönster Harmonie und der ihr gebührenden liturgischen
Vergeistigung. Solistin, Chor, Orgel und Schlagzeug setzten
starke interpretatorische Akzente. Chorleiter Roth dirigierte
souverän und erfüllt von wahrhaft religiösem Eifer.
Joseph Hesse
|