Michael Pohl spielt auf der
HSH-Orgel
Farbige
Kontraste
Altstadt. Es
gehört schon fast zur Tradition, die Konzertsaison auf der
historischen Orgel im Hans-Sachs-Haus zu beginnen. Als
Solisten hatte man den in der DDR renommierten
Konzertorganisten Michael Pohl gewinnen können; der
Ostberliner spielte zunächst "ältere" Werke — Johann Sebastian
Bach, Johann Gottfried Walther, Johannes Brahms - interessant
die Gegenüberstellung einer Bach- und Brahmsfuge. Bei der
letzteren begann das Aufhorchen; denn ab der Romantik gibt die
Gelsenkirchener Jugendstilorgel erst eigentlich ihre
Charakteristika preis.
Michael Pohl
spielt mit großer technischer Präzision und Disziplin; dazu
erarbeitet er differenzierte Klangvorstellungen, für deren
Verwirklichung er selbst bei Bach zwei Registranten benötigt.
So klingt alles, was Pohl spielt - Barockes, Romantisches,
Impressionistisches - farbig organisiert, aber zugleich wie
gestochen gezeichnet.
Zeitgenössischer
Beitrag war die 1974 geschriebene Chaconne des Ostberliner
Komponisten Anton Schoendlinger (Jahrgang 1919). Ein recht
eigenwilliges Stück Musik: chromatische Tonalitat verdichtet
sich durch kontrapunktische Schichtung zu dissonantem
Figurenwerk, das vom starren Thema in einem statischen Rahmen
gehalten wird.
Den Schlußpunkt
des Konzertes bildete die dritte Orgelsymphonie fis-Moll des
Franzosen Louis Vierne; hier ist nicht die Linie, sondern die
Klangfarbe der Gestaltungsträger - und da ist die
Hans-Sachs-Haus-Orgel in ihrem Element; sie blüht auf, in
peitschenden Akkorden, geheimnisvollen Fernklängen, süßlichen
Mischfarben und burlesk-komischen Verfremdungen, Viernes
Stilbrüchigkeit, die auch Banales nicht scheut, hört man heute
mit schmunzelnden Vergnügen - verbindet sie doch Grandioses
und Kitschiges zu einem Klangpluralismus, der fast schon an
Popmusik erinnert.
Starker, und
herzlicher Beifall für Michael Pohl.
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