Sicheres Gespür
für Instrument und Raum
Rudolf Innig an der Orgel des
Hans-Sachs-Hauses
GELSENKIRCHEN. Es wird
schwerfallen, bei dem reichhaltigen Angebot an Orgelkonzerten
in hiesigen Kirchen weiteres Publikum für die umfangreich
disponierte Walcker-Orgel des Hans-Sachs-Hauses zu gewinnen.
Von der Sache her allerdings war die zurückhaltende Resonanz
zum Auftakt einer neuen Reihe mit vier Orgelkonzerten im
Hans-Sachs-Haus (der 8. und 29. November und der 6, Dezember
sind die nächsten Termine) weniger begreiflich, musizierte
doch ein hochqualifizierter Solist an den fünf Manualen des
neuen Spieltisches.
Welch ein Jammer,
daß monetäre Engpässe dieses graue Tuch hoch über dem Podium
nicht haben verschwinden lassen können, um einem sehenswerten
Prospekt Platz zu machen. An die Restauration einiger innerer
Werte wagt man erst gar nicht zu glauben, so notwendig einige
Stukturverbesserungen für das Klangbild des Plenums auch sein
mögen.
Die spezifischen
Stärken dieser Konzertorgel aufzuspüren (und deren gibt es
viele), gehört mit zu den ersten Aufgaben eines Spielers, der
ad hoc ein Programm erlesener Literatur vorstellen will.
Rudolf Innigs Zugriff zu werkgerechten Farbwerten der Register
legte sein sicheres Gespür für das notwendig enge Verhältnis
von Komposition, Instrument und Raum offen.
Das Programm des
Leiters der Musikschule Coesfeld entsprach mit vier Werken aus
Romantik und Gegenwart der Veranlagung der Disposition. Johann
Sebastian Bachs Fantasie und Fuge c-Moll war deshalb nicht
gleich als Pflichtübung einzuordnen. Dem Könner gelingt auch
mit weniger geeigneten Partituren stilistisch Gültiges. So
auch diesem Interpreten, der das barocke Klangbild mit großer
Präzision und Durchhörbarkeit ausstattete.
Der Griff zu den
Bach-Verehrern war folgerichtig: Felix Mendelssohn-Bartholdys
Sonate c-Moll erklang in dieser Tradition. Wunderschön, wie
auch in den übrigen Werken gelangen die Registrierungen der
gesanglichen Teile. Matthias Siedels (geb. 1929, Professor in
Hamburg), „Te Deum" erklang erstmals 1981 im Altenburger Dom
zur Weihe der neuen Orgel: ein hymnisches Werk, für
Kathedralen angelegt. Seine Klanglichkeit verknüpft
gregorianische Linearität, barockes Strukturieren und
romantisches Färben mit zeitgenössischer Tonsetzung.
Olivier Messiaen
setzt in der „Himmelfahrt" mit verblüffender Unmittelbarkeit
theologische Aussagen in Musik um. Was theoretisch nicht
gelingt, stimmt klingend. Im Hinblick auf die Merkmale des
Instruments lag hier der Höhepunkt. Max Regers Fantasie und
Fuge d-Moll faßte Tradition und Weg in die Neuzeit zusammen.
Stimmig fügte sich die Vortragsfolge zum Ganzen.
Der Interpret ist
ein Großer unter Seinesgleichen. Seine Spielkultur verfügt
über umfassende Mittel, er deutet das Wesen der Musik.
Michael Beste |