Liszt-Schaffen
als Reizthema
Zsigmond Szathmary an der
HSH-Orgel
Franz Liszt und
sein Orgelschaffen sind ein Reizthema: die einen beklagen die
Profanisierung des Instruments, andere feiern den Erretter der
Orgel aus dunklen Kirchengewölben, die dritten befremdet sein
Hang zu mythisch überzeichneten Themen („Am Grabe Richard
Wagners"). Zsigmond Szathmary (Freiburg) , hätte unter diesen
Vorzeichen bei seinem Orgelkonzert zum Liszt-Jahr - der Abbé
starb vor 100 Jahren - auf reges Interesse hoffen können. Doch
auch Szathmarys künstlerische Reputation konnte eine
Grundtendenz des Musikfestes nicht ändern: die
Publikumsbeteiligung war zurückhaltend. Die Walcker-Orgel im
Hans-Sachs-Haus trat an diesem Abend wieder in Erscheinung,
restauriert, wie es hieß. Doch so klingt sie zumindest im
"meckernden" Tutti nicht. Sechs Kompositionen hatte Szathmary
ausgewählt, von "handlichen" symphonischen Dichtungen wie
"Orpheus" bis hin zum Kolossalgemälde "Fantasie und Fuge über
den Choral 'Ad nos, ad salutarem undam'", dem ein Thema aus
Meyerbeers "Der Prophet" zugrundeliegt.
Liszt verneint
hier seine Vorliebe für rhapsodische Verläufe mit
pianistischer Raffinesse, Pedaltrillern und virtuosen
Kadenzen, was Szathmary unter Assistenz einer vielgeforderten
Registrantin bravourös meisterte. Die Spannung hielt er in
diesem Riesenwerk ohne Mühe aufrecht.
Hinter dem
umständlichen Titel "Variationen über den Basso continuo des
ersten Satzes der Kantate 'Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen' und
des Cruzifixus der h-Moll-Messe von J.S. Bach" verbirgt sich
keine "Bearbeitung" der gleichnamigen Klaviervariationen,
sondern eine eigenständige, orgeltypische Version. Liszt
erhebt die absteigende Chromatik des "Lamento-Basses" zum
Kompositionsprinzip, in allen Stimmen des Satzes dominiert die
Halb-tonfortschreitung. Diese chromatische Fantasie stattete
der Solist mit klaren, entschiedenen Phrasierungen aus und
lichtete den schwerfälligen Charakter der Orgel durch
punktgenaue Artikulation. |