Dietrich W. Prost spielt
unbekannte Stücke auf der HSH-Orgel
Konzert mit
Überraschungen
Altstadt. Die
städtische Konzertsaison begann mit einem Orgelkonzert im Saal
des Hans-Sachs-Hauses, in dem mit Dietrich Wilhelm Prost,
einer der profilierten evangelischen Kirchenmusiker der DDR,
zu hören war. Der in Stralsund wirkende Kirchenmusikdirektor
(Jahrgang 1928) spielte barocke, romantische und
zeitgenössische Orgelliteratur.
Prost baute sein
Programm nicht nach historischen Schritten auf, sondern nach
stilistischen und thematischen Kontrasten. So ließ er dem
barocken Spielwerk einer Toccata von Buxtehude ein modernes
Stück Programmusik folgen: "Orpheus" von Ruth Zechlin — die
1926 geborene Komponistin zählt in der DDR zu den stärksten
Begabungen ihrer Generation. Das Stück beschreibt in klagenden
und zerreißend scharfen Akkorden die Verzweiflung des Orpheus
über den Verlust seiner Geliebten - dabei folgt die Musik ganz
dem Ausdruck und zeigt große, dramatische Gesten auf.
Einen stärkeren
Gegensatz als das folgende lyrische Andante von
Mendelssohn-Bartholdy hätte Prost wohl kaum wählen können -
und auch mit dem vierten Stück - der Orgelsinfonie Nr. VIII
des Polen Feliks Nowowiejski (1877-1946) -setzte der Organist
die Linie der Überraschungen fort. Der hierzulande völlig
unbekannte Pole schreibt eine Art Bekennt-nismuusik, die - auf
dem Weg von der Spätromatik zum Neoklassizismus – verschiedene
stilistische Stationen berührt und miteinander vermischt: eine
farbig fremde, eigentümliche Begegnung.
Auch nach der
Pause blieb Prost seinem Kontrastprinzip treu: Auf eine
neobarocke Fuge von Ernst Pepping (1901-81) reagierte er mit
Mendelssohn-Bartholdys zweiter Orgelsonate, um an den Schluß
Ruth Zechlins Komposition "Traum und Wirklichkeit" zu setzen.
Dieses Stück, das Prost gewidmet ist und vor einem Jahr von
ihm uraufgeführt wurde, ist trotz seiner geballten Tonsprache
unmittelbar verständlich: das magische Kreisen des Traumspiels
und die harten Einwürfe der Wirklichkeit halten sich
letztendlich im Gleichgewicht und brauchen einander. |