Ein junger
Meister seines Faches
ARD-Preisträger Martin Sander
an der Walcker-Orgel des Hans-Sachs-Hauses
Gelsenkirchen. Ein junger
Organist spielt Spätwerke von Felix Mendelssohn-Bartholdy,
Julius Reubke und Max Reger. Diesen Sachverhalt muß man
mehrfach überdenken, um das Ausmaß seiner Bedeutung ungefähr
abstecken zu können. Sind Risikobereitschaft oder gar
Vermessenheit die Motive, oder sind es Reife, Klugheit und
sichere Einschätzung des eigenen Könnens, welche einen
24jährigen Tonkünstler die Gipfel der Interpretation stürmen
läßt?
Vollends sprachlos
wird man, wenn man im Werdegang nachliest, daß er neben dem
Studium der Kirchenmusik und der Theaterwissenschaften in
diesem Jahr sein Diplom als Chemiker gemacht hat. Die Rede ist
von Martin Sander aus München, ARD-Wettbewerbspreisträger
1987, der sicher sehr genau weiß, was er tut. Sein technisches
Können erlaubt ihm den Zugang zu jeder Partitur, auch zu
einer, die lange als un-spielbar galt: Regers Variationen und
Fuge über ein Originalthema in fis-Moll.
Sander ist ein
Perfektionist. Zu pianistischem Glanz kommt die sehr
differenzierende Handhabung des Registrierens hinzu.
Diese mehr oder
weniger meßbaren Voraussetzungen indes sind ohne das
künstlerische Potential, das der Begabte in sich trägt,
lediglich ein Gerüst, ein notwendiges allerdings. Erst
Elemente wie das Gespür für Klang, Farbe, Bewegung, die
Energie der Tonbeziehungen und die schöpferische Kraft, den
Geist einer Komposition aufzuschließen, vermögen die
Persönlichkeit des Interpreten einer Vollendung näher zu
bringen.
Reubkes-94. Psalm,
eine Sonate in c-Moll, ist ein Seelendrama, das der 22jährige
Komponist als Todkranker verfaßte. Hier vor allem spiegelten
sich diese Merkmale des Spiels von Sander. Hier wie auch in
Regers Variationen entwurzelte Sander die nicht beschreibbare
Emotionalität der Werke aus dem (Notentext. Man war betroffen.
In dieser
Gefühlsbetontheit lag das Zentrum des Konzerts. Mendelssohns
Sonate I f-Moll hatte dagegen nur einstimmenden Charakter.
Registrant Stephan Peller hatte viel zu tun, um den sehr breit
gestreuten Registerwechseln folgen zu können.
Liebe Orgelfreunde
in Gelsenkirchen! Auch im Hans-Sachs-Haus steht ein wertvolles
Instrument, nicht nur unter dem eigenen Kirchturm!
Michael Beste |