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  Presseberichte
  Ruhr-Nachrichten, 17.12.1987

Organist Martin Sander stellt alle Vorgänger in den Schatten

Himmelstürmende Artistik

Altstadt. Für das letzte diesjährige Orgelkonzert an der Walcker-Orgel im Hans-Sachs-Haus hatte die Stadt den Berliner Konzertorganisten Martin Sander verpflichtet. Der erst 24jährige gewann bereits mehrere bedeutende Orgelpreise und ist daher in Fachkreisen sehr hoch geschätzt. Martin Sander brachte drei Werke mit: die Orgelsonate f-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy - die geniale Sonate des frühverstorbenen Liszt-Schülers Julius Reubke - die Variationen und Fuge über ein Originalthema in fis-Moll op. 73 von Max Reger.

Mendelssohns erster von seinen sechs Orgelsonaten liegt der Choral „Was mein Gott will" zugrunde, und zwar mehr als Text - denn als Notenvorlage; jedenfalls läßt sich ein Programm ableiten. Martin Sander tat dies, indem er die Themen und Sätze besonders konstrastreich gegeneinander absetzte. Spannend das Finale, bei dem
der Organist ein himmelstürmendes, waghalsiges Tempo anschlug.

Ein wahrhaft aufwühlendes Stück Musik ist die Sonate, die der 22jährige, schon todkranke Julius Reubke im Jahre 1857 aus sich herausschleuderte. Man denkt sogleich an die Programmsinfonik von Berlioz und Liszt, die hier auf die Orgel übertragen erscheint: eine dramatische, fiebrige virtuose Musik, extrem zwischen düsteren Farben und peitschenden Rhythmen hin- und hergestoßen - eine Komposition, kühn und unerhört, getrieben von Angst, Todesahnung und Trostsuche. Und hier wurde auch klar, warum der junge Sander einen Preis nach dem anderen gewinnt; er spielt Reubkes Sonate mit einer so wilden, existentiellen Entschlossenheit und dabei mit einer so technischen und klanglichen Brisanz, daß man bestürzt vom Inhalt und zugleich fasziniert vom artistischen Standard ist.

Regers Variationen op. 73 gehen mit dem chromatisch gestellten Thema sehr frei um - nicht im Sinne einer Reihungsform, sondern einer Fantasie. Martin Sanders Interpretation forciert jedenfalls diesen Fantasie-Charakter: jähe Tempowechsel, dynamisch schwellende Kurven, fast pianistische Betonungen und Rubati - das alles ergab ein flackerndes, beinahe schon expressionistisches Hörbild. Bei Sander erscheint Regers neobarocke Kontrapunktik nur noch als notwendige Formhülle, um eine unbändige Ausdruckslust zu bändigen, die aus allen Fugen bersten will.
Kurz: dieser junge Martin Sander stellte als Interpret und als Orgeltechniker wohl alle die berühmten Leute in den Schatten, die bislang auf der Hans-Sachs-Hausorgel zu hören waren.

Heinz-Albert Heindrichs

   

 

 

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